Antonio Bragato vom Enoiteca II Calice im Interview

Der Weinkelch ist bei uns immer halbvoll. 

Wie bist du zum Wein gekommen? 

In sehr jungen Jahren, mit 16, habe ich bereits eine Hotelfachlehre absolviert. Mein Meister/Ausbilder interessierte sich für Wein, da konnte ich einiges lernen – besonders über das Thema Wein und Genuss. Mit 18 habe ich in einer Weinbar in Jesolo gearbeitet, mein dortiger Mentor, der Betreiber der Weinbar, hat mich zur Hand genommen und mich in die Welt des Weines entführt. Danach habe ich einen Sommelier-Kurs in Italien gemacht und meine Kenntnisse dann letztendlich bei den Winzern verfeinert. Da mich besonders die Weinentstehung und die Weinbautechnik interessierte, habe ich die Winzer bei meinen Besuchen immer so lange befragt, bis ich alles verstanden hatte.  

Louis und Antonio Bragato vom Enoiteca II Calice
Louis und Antonio Bragato

Nach vielen Jahren im Beruf, unter anderem als Hotel Concierge und später für über fünf Jahre als Hoteldirektor, habe ich in Italien alles an den Nagel gehängt und mich auf die Reise nach Berlin gemacht, mit dem Ziel, eine Weinbar zu eröffnen. 1988, noch vor dem Mauerfall, sind wir in Berlin angekommen, zwei Jahre später haben wir bereits eröffnet. So bin ich zum Wein gekommen. 

 

Und was fasziniert Dich bis heute daran? 

Letztendlich interessiert mich nicht nur der Wein an sich, der als Kulturgut stetig im Wandel ist. Ich finde es wahnsinnig spannend, dass die Weine jedes Jahr andere, jahrgansbedingte Facetten zeigen. Besonders interessieren mich auch die Menschen, die man trifft, wenn man mit Wein zu tun hat. Es gibt sehr viele Winzerfamilien, mit denen wir inzwischen seit 30 Jahren zusammenarbeiten. Da sind echte Freundschaften gewachsen. Man weiß, man kann sich immer aufeinander verlassen. Man kommuniziert viel, mich fasziniert die zwischenmenschliche Aktion und die gegenseitige Verständigung, die rund um das Thema Wein stattfinden. 

Das ist natürlich auch nicht das einzige Thema, das man gemeinsam hat. Die Leute, die mit Wein zu tun haben, sind auch Genussmenschen und Leute, die zu leben wissen, mit einer ausgeprägten vielschichtigen Kultur. Das macht mein Berufsleben vielfältig und interessant. 

 

Welcher Wein oder welches Weinerlebnis ist Dir prägend in Erinnerung geblieben? Warum? 

Das ist schwer zu sagen. Wir arbeiten gleichzeitig mit 700 bis 800 Weinen, die uns alle faszinieren. Sonst hätten wir sie nicht auf unserer Weinkarte. Wir gehören nicht zu den Gastronomen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen so viele Weine haben, sondern weil es uns einfach Spaß macht, weil es uns fasziniert, weil man die Finger nicht davonlassen kann. Natürlich repräsentiert man auch. Man sucht sich möglichst Weine aus, die möglichst viel Charakter haben. Da aber einen rauszupicken, der mich besonders fasziniert, ist schwierig. Als ich damals anfing, mich für Wein zu interessieren, führte mein Mentor Mauro auf seiner Weinkarte einen Wein namens Feldmarschall, einen Müller-Thurgau vom Weingut Tiefenbrunner in Südtirol, von Weinbergen auf über 1.000 Meter Höhe. Dieser Wein war damals schon – wir reden von vor 40 Jahren – einfach sensationell: wahnsinnig geradlinig, mit zurückhaltender Automatik, einer auffälligen Salzigkeit und Säure sowie einem Spannungsbogen, den dieser Wein heute übrigens immer noch hat. Inzwischen ist es der Parade Müller-Thurgau Italiens und einer der besten Weine Südtirols. Es ging damals sogar so weit, dass Mauro mich „Feldmarschall“ nannte, da ich jedes Mal, wenn ich kam, ein Glas davon haben wollte. 

 

Welcher Wein steht ganz oben auf Deiner Bucket List? 

Ja vielleicht ein Clos du Mesnil von Krug Champagne. Den habe ich noch nie probiert. 

 

Was trinkst du denn gerne, wenn du keinen Wein trinkst? 

Uih…. Gerne ein Bier. Wenn ich in ein Restaurant komme, in dem ich vermute, dass es keine guten Weine gibt, dann trinke ich lieber ein Bier und das trinke ich dann auch ganz gern. Ich mag in der letzten Zeit auch die teebasierenden Schaumweine von van Nahmen, zum Beispiel. Der Tee übernimmt eine gewisse Textur, die dem Schaumwein gut steht. Bei Wein bringt der Alkohol diese Geschmeidigkeit ein, in solchen Schaumweinen bringt der Tee diese Geschmeidigkeit ein. Man könnte es auch Fett nennen, also eine gewisse Opulenz. Das gefällt mir sehr gut. Wir haben das auch bei uns auf der Weinkarte. 

 

Wo ist dein liebster Urlaubsort und warum? 

Venedig Stadt. Ich bin dort zur Schule gegangen und ich kenne eine Menge Leute, auch aus der Gastronomie und der Weinszene, so dass ich immer schöne Dinge kombinieren kann: Kultur und Genuss. Also eine Kurzreise nach Venedig von mir aus gerne zehnmal im Jahr. 

 

Wo findest du die beste Entspannung als Gegenpol zu deinem Job? 

In der Regel im Sport – oder am See. Ich lebe in Berlin. Wir haben glücklicherweise viele schöne Seen, in einer knappen halben Stunde ist man schon an einem Westberliner See. Ich schwimme, habe aber auch ein Schlauchboot mit einem kleinen Elektromotor. Da kann man sich eine schöne Bucht aussuchen, um zu schwimmen und zu picknicken. Das ist eine häufige Sommerbeschäftigung, wenn ich es mir zeitlich irgendwie leisten kann. Wir sind meist am Groß Glienicker See, das ist zwischen Spandau und Potsdam. Ein Kalkwasser-See, nährstoffarm, mit transparentem, sehr schönem Wasser – und in kurzer Zeit erreichbar. Es gibt andere Seen, den Stechlinsee oder den Roofensee bei Rheinsberg zum Beispiel. Das sind Klarwasser-Seen, die noch viel schöner sind, da fährt man aber fast eineinhalb Stunden hin. Und natürlich die Berliner Kultur, Jazz, Museen, Kino… 

 

Wen würdest Du gerne mal auf einen Glas Wein treffen? Warum? 

Robert Habeck würde ich gerne einmal treffen, um mit ihm verschiedene Ansätze zu eruieren. Ich bin der Meinung, dass er eine Person ist, der eine ganz starke Durchsetzungskraft und Visionen hat. Mit ihm würde ich mich gerne mal bei einem Glas Wein über unsere derzeitigen und künftigen Herausforderungen unterhalten.  

 

Vielen Dank für das nette Interview.